Die Droge Nummer eins an der Streetparade bleibt der Alkohol

Zürich

Calvin Klein, Nike, Dolce & Gabbana und Chanel: Diese Marken dürften an der diesjährigen Streetparade wieder hoch im Kurs sein. Denn sie gehören zu den zahlreichen Brands, die auf Ecstasy-Pillen vorkommen. Die Droge Nummer eins an der grossen Technoparty bleibt allerdings der Alkohol.

Christian Kobel ist inzwischen bestens vertraut mit den verschiedenen illegalen Substanzen, die in Zürich konsumiert werden, obwohl er selbst keine Drogen nimmt. Er ist der Leiter der Zürcher Jugendberatung «Streetwork», die das ganze Jahr durch kostenlose und anonyme Drogentests anbietet.

Diese Möglichkeit besteht auch an der Zürcher Streetparade, wo jedes Jahr im Auftrag der Stadt ein mobiles Drug-Checking-Labor aufgestellt wird. Dort kann man die Qualität seiner Partydrogen vor Ort von Chemikerinnen und Chemielaboranten testen lassen. Die Analyse dauert etwa eine halbe Stunde.

Die Streetparade gehört zu den jährlichen Anlässen, an denen die Nachfrage nach den unkomplizierten Drogentests jeweils besonders hoch ist. Dennoch ist die Parade besser als ihr Ruf. «Nur der kleinste Teil konsumiert illegale Drogen», sagt Kobel. Er schätzt die Anzahl auf etwa 5 Prozent. «Die grössten Probleme haben wir an der Streetparade wegen dem Alkohol.»

Da aber jeweils Hunderttausende von Menschen an der Streetparade teilnehmen, steigt der Drogenkonsum an einem solchen Wochenende anzahlmässig dennoch deutlich an. Bei einer Teilnehmerzahl von einer Million (wie im Jahr 2015) entsprechen 5 Prozent 50’000 Personen, die illegale Substanzen konsumieren.

Zudem sei die Streetparade ein Anlass, an dem viele zum ersten Mal Drogen probieren wollen, erklärt Kobel. Der Anlass sei dabei denkbar schlecht gewählt. Denn wenn jemand einen schlechten Trip erlebe, sei dies wegen der Menschenmenge und der August-Hitze oft besonders problematisch.

Gefährliche Trends

Zu schweren gesundheitlichen Zwischenfälle mit Party-Drogen kommt es laut dem Zürcher Sozialarbeiter in der Schweiz zum Glück jedoch relativ selten. Die Leute seien aufgeklärter – nicht zuletzt dank dem Internet, das umfangreiche Informationen liefere.

Dennoch sind mit jedem Drogenkonsum Risiken verbunden. Derzeit stellen Kobel und sein Team zudem zwei besonders gefährliche Trends fest. Dazu gehören sehr hoch dosierte Ecstasy-Pillen, die mehr als 200 Gramm MDMA enthalten, sowie verunreinigtes Kokain.

«2016 waren über 20 Prozent der getesteten Ecstasy-Pillen zu hoch dosiert», sagte Kobel. Ein Phänomen, das es vor fünf Jahren noch nicht gab. Die Ursache für die zu hohe Dosierung sei unklar. Ein Grund könne sein, dass die Grundsubstanz inzwischen sehr billig erhältlich sei. In der Produktion koste eine Ecstasy-Pille ein paar wenige Rappen.

Andere vermuten hinter der hohen Dosierung eine Art Marktkampf. Denn die Herstellung der Tabletten, die oft aus den Niederlanden und Belgien stammen, habe sich in den letzten Jahren stark professionalisiert. Waren früher vor allem runde Pillen mit einem Mercedes-Stern oder Herz- und Smiley-Symbolen im Umlauf, kommen die Partydrogen immer kreativer daher.

Eine andere gefährliche Entwicklung sind gefährliche Streckmittel im Kokain, die schwer abschätzbare Gesundheitsrisiken bergen. Etwa Levamisol, ein Wurmmittel, mit dem eine höherer Dosierung vorgetäuscht und die Wirkung intensiviert wird. Mögliche Langzeitfolgen sind eine Schwächung des Immunsystems und ein Absterben der Haut.

Die Menge macht das Gift

Auf Platz eins der illegalen Drogen, die in Zürich konsumiert werden, liegt übrigens Cannabis. Erst danach kommen die «Partydrogen» Kokain, Ecstasy und Speed. Der grösste Teil der Drogen ist allerdings legal, wie Kobel in Erinnerung ruft. Dazu zählen Alkohol und Medikamente.

Das Bedürfnis einiger Menschen nach Drogen sei eine Tatsache. Wichtig sei, dass die Leute lernten, damit umzugehen. «Wir helfen, die Risiken zu minimieren», erklärt Kobel die Arbeit seines Teams. Die Schadenminderung ist gleichzeitig eine von vier Säulen der schweizerischen Drogenpolitik, die zudem aus Prävention, Repression und Therapie besteht.

Das Sozialarbeiter-Team rät in jedem Fall vom Konsum von illegalen und riskanten Substanzen ab und weist darauf hin, dass Drogenkonsum immer mit gesundheitlichen Risiken verbunden ist. Es macht weiter darauf aufmerksam, dass der Besitz, Verkauf und Konsum vieler Betäubungsmittel strafbar ist.

Wenn jemand dennoch entscheide, Drogen zu konsumieren, wird der Person nahegelegt, die sogenannten Safer-Use-Regeln zu befolgen.

Zu Ende gedacht führt die Förderung des eigenverantwortlichen Handelns in Richtung einer vollständigen Liberalisierung des Drogenkonsums. Ob eine solche erstrebenswert sei, bleibt jedoch eine höchst umstrittene politische Frage.

Die Jugendberatung Streetwork beschränkt sich deshalb auf ihrer Internetseite «saferparty.ch» auf pragmatische Tipps im Umgang mit gefährlichen Stoffen und auf das berühmte Zitat von Paracelsus: «Allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist.»

Drug Checking: Gesundheit vor Legalität

Wenn du schon Drogen nimmst, dann nimm wenigstens gute Qualität zu dir: Nach diesem Prinzip funktioniert das Drug Checking, das in mehreren Schweizer Städten angeboten wird.

In Zürich informiert die Jugendberatung «Streetwork» über die Risiken des Drogenkonsums. Sie wurde zu Zeiten der offenen Zürcher Drogenszene rund um den Platzspitz gegründet. Ziel war, junge Menschen vom dem Absturz abzuhalten.

Nachdem die Stadt Zürich die Drogenszene weitgehend wieder unter Kontrolle gebracht hatte, erwuchs für die Beratungsstelle Mitte der 1990er-Jahre eine neue Herausforderung: Die Technoszene. Diese war für Aussenstehende eine Blackbox, und schnell wurde klar, dass dort auch exzessiv Drogen konsumiert wurden.

Zunächst versuchte es «Streetwork» mit Info-Ständen an Partys, um auf Gefahren und Risiken aufmerksam zu machen. Doch das kam beim Publikum, das bereits in Festlaune war, schlecht an.

Um die Jahrtausendwende kam es zu einem Tabu-Bruch: Das mobile Drug Checking wurde ins Leben gerufen. Der Konsum von illegalen Drogen musste nicht mehr versteckt werden, sondern wurde als gegeben akzeptiert. Wer eine Party-Pille schlucken will, konnte deren Qualität und Reinheit vor Ort von den Chemikern und Chemikerinnen und ihrem mobilen Labor testen lassen.

In Zürich wurde das Konzept 2001 eingeführt. Es wird auch in Basel, Bern und Genf angeboten. Die Schweiz gehörte zusammen mit den Niederlanden zu den ersten Länder, die das mobile Drug Checking erlaubten.

2006 wurde in Zürich zudem das DIZ gegründet – das Drogeninformationszentrum. Nach einem obligatorischen Beratungsgespräch können dort Proben von illegalen Drogen abgegeben werden. Die Proben werden anschliessend in einem externen Labor auf ihre Qualität hin untersucht, die Konsumenten erfahren das Ergebnis ein paar Tage später.

Das Angebot wird intensiv in Anspruch genommen und wurde bereits ausgebaut. Im Jahr 2016 wurden bei den mobilen Drug Checkings und am Drogeninformationszentrum DIZ insgesamt 2078 Substanzen getestet.

Parallel dazu betreibt „Streetwork“ im Auftrag des Sozialdepartements der Stadt Zürich die Internetseite saferparty.ch, die umfassend über Wirkung und Gefahren von illegalen Substanzen informiert.

Dieser Text wurde am 09. 08. 2017 durch die SDA publiziert und danach unter anderem auf Blick.ch aufgeschaltet.